Corona – Stille in der Krise

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Ein Beitrag von Sooni Kind

Es ist mir schwergefallen, angemessen über Corona zu schreiben. Dieser Artikel ist bereits die dritte Version – und die erste, mit der ich leben kann. Mir war es so unglaublich wichtig, aus der Richtung der 5-Elemente-Philosophie zu schreiben, doch leider hätte das Thema Ernährung den Rahmen vollständig gesprengt. Darum findest Du auf der Seite hunvision.de weitere Texte, in denen es nur im die Ernährung geht.

Was mir auch klar ist: Dieser Artikel ist keine „leichte“ Kost. Vielleicht musst du ihn ein zweites oder sogar drittes Mal lesen. Ich hoffe, dass es sich für dich lohnt!

Herzliche Grüße

Sooni*

 

Es war so still heute Morgen. Der Kran über dem Nachbarhaus ragte regungslos über die Dächer. Eigentlich normal für einen Blick aus dem Fenster um 6 Uhr in der Frühe. Aber was bedeutet so ein Wort wie „normal“ in Corona-Zeiten?

Es ist so lange her, dass in meinem geliebten Schwimmbad war. Das sonnendurchflutete Schwimmbecken hatte ich fast ganz für mich allein. Bei den wenigen Gästen gab es natürlich nur ein Thema. Einen Moment lang fühlte ich mich versucht, mich an den Prophezeiungen und Prognosen am Beckenrand zu beteiligen.

„Wird einem nicht leichter ums Herz, wenn man es ausschüttet?“

Nicht immer, sagt das Dao de King und rät, in kritischen Situationen „die Sinnespforten zu schließen und den Rededrang zu zügeln“. In unseren Ohren klingt das natürlich etwas schulmeisterlich. Gerade in der aufgewühlten Stimmung dieser Tage merke ich aber, wie viel Schutz mir diese kleine Empfehlung gibt. Der Daoismus kennt die Tradition der Lebenspflege, den sogenannten Yangsheng.

Ein wichtiger Grundsatz ist die Bewahrung der Essenz.

„Du musst still sein und du musst klar sein, du darfst deinen Körper nicht ermüden und deine Essenz nicht vergeuden, dann kannst du lange leben“ heißt es bei Zhuang Zi, dem neben Lao Zi bedeutendsten Klassiker der daoistischen Philosophie.

Dauerkommunikation erhitzt den Geist shen und lässt deine Essenz sinnlos verströmen. Wie die TCM-Ärztin Christine Li betont, geht diese Vergeudung erst einmal einher mit einem Hochgefühl von Leichtigkeit und Stofflosigkeit, führt aber langfristig zu Erschöpfung und Ausgebranntsein.

Modernem westlichen Denken ist das Thema Schutz im Umgang mit uns selbst ziemlich fremd. Oft wird uns erst durch eine Krankheit bewusst, dass unser Leben nicht einfach selbstverständlich ist, und dass wir unseren Körper behüten und pflegen müssen.

„Es geht nicht um Selbstoptimierung, sondern um Verfeinerung.“

In der chinesischen Medizin bildet der Körper unsere Essenz. Sie ist die materielle Basis für alle geistigen Aktivitäten wie Denken, Fühlen und unsere Intuition. Die Kunst des Yangsheng, zu der neben geistigen und körperlichen Übungen auch die Ernährung gehört, besteht darin, dieses Yin zu bewahren. Dabei geht es jedoch nicht um Selbstoptimierung im westlichen Sinne, sondern um die Kultivierung unseres Selbst, um seine Verfeinerung, ein spirituelles, universelles, ethisches Bewusstsein.

Der Philosophin Hannah Arendt hält es für das Wesensmerkmal eines Menschen, auch mitten im Leben wieder „neu geboren“ zu werden, einen Anfang zu wagen. Oder mit den Worten der Philosophin Nathalie Knapp gesagt: „Im übertragenen Sinn findet Geburt immer dann statt, wenn wir uns essenziellen Erfahrungen öffnen, die wir nicht kontrollieren können, und uns davon verwandeln lassen.“

„Das Weiche siegt über das Harte.“

(Lao Tse)

Könnte Corona uns nicht öffnen für die Zerbrechlichkeit und Verwundbarkeit unseres Lebens? Wäre das nicht der Sieg des Weichen über das Harte im Sinne Lao Tses, die poetische Revolution der Philosophin Ariadne von Schirach? Mit einem eher zärtlichen Blick auf uns selbst, unser Leben und das unserer Mitmenschen? Gibt es einen Weg von dem schockartigen Stillstand, diffuser Lähmung, hektischem Agitieren zu einer inneren Stille der Besinnung?

Dabei ist Stille jedoch kein egozentrischer Weg ins Eigene. Das konfuzianische Ideal ist nicht der Mensch ren, der um sich selbst kreist, sondern die Mitmenschlichkeit mit den beiden Schriftzeichen: ren und zwei. Erst die Sorge des einen für den anderen macht einen tugendhaften Menschen aus.

Ren=Mitmenschlichkeit
Ren=Mitmenschlichkeit

Während es jedoch im Konfuzianismus viele Regeln und Anweisungen zur Ausbildung menschlicher Tugenden gibt, setzt der Daoismus ganz auf unsere Selbstverantwortlichkeit. Im Dao de Jing (alte Schreibweise Tao te King) ergibt sich die Tugend  daraus, dass der Mensch sich mit den Gesetzen des Tao verbindet.

Lao Tse meint also nicht die Tugend moralischer Rechtschaffenheit. Die wirkliche, „wahre Tugend“ entspringt einem inneren geistigen Gleichgewicht, das wir als innere Kraft zu verstehen haben.

Kai Marchal, deutscher Professor für chinesische Philosophie in Taiwan, warnt in diesem Zusammenhang vor einer „radikalen Individualisierung“. Wir möchten uns mit Lao Tse gleichsam in einer mythisch-ökologischen Nische einrichten und übersehen dabei nur zu gern, dass es in diesem Text in der Tat auch um Ordnungsgebung geht, so Kai Marchal.

In diesen Tagen wird unser Selbstverständnis auf eine harte Probe gestellt.

Egal, ob wir mit Hysterie, Verharmlosung oder Gleichgültigkeit reagieren – die Tatsache, dass gerade etwas Bedrohliches geschieht, auf das wir kaum einen Einfluss haben, stürzt uns in eine existentielle Verunsicherung. Die Frage ist, ob wir uns in eine uns selbst absichernde Privatheit zurückziehen oder uns diesen essenziellen Erfahrungen öffnen, um gemeinsam neue Formen des Miteinanders zu finden.

Unser Menschenbild eines selbstbestimmten und autonomen Individuums, das auf seine Freiheit und seine Rechte pocht, ist nicht das einzig mögliche, sagt die Philosophin Ina Schmidt. Vielleicht liegt hinter unserer Mauer aus Sicherheit und Selbstbestimmung ja eine Lebendigkeit, die uns in eine Stille führt, die uns mit der Urmutter allen Lebens, dem Dao, verbindet. In diesem Sinne können uns die Worte Lao Tses im 16. Kapitel des Tao-Te-King vielleicht ein richtungsweisender Trost sein in dieser herausfordernden, unsicheren, trostlosen Zeit:

Heimkehr zur Wurzel heißt: Stille.

Stille heißt: Rückkehr zur Bestimmung.

Rückkehr zu Bestimmung heißt: Ewigkeit.

Wer eins ist mit dem Tao, kann ewig dauern.

Sinkt sein Leib dahin, ist er ohne Gefahr.

 

Dieser Text erschien zuerst auf www.hunvision.de  

Dort findest du die anderen Texte zum Thema:

5-Elemente-Ernährung gegen Corona-Angst

Corona – Immunsystem stärken im Holzelement

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