Mir geht es in diesen Zeiten wie vielen anderen auch: Das Leben hat einen bitteren Geschmack bekommen. Um uns herum türmen sich Katastrophen, Kriege, Hass und die Bereitschaft, um die besten Plätze am Futtertrog auch über Leichen zu gehen.
Sicherheiten werden fadenscheinig
Wer bin ich, dass ich mich beklage? Ich habe genug zu essen, ich schlafe nachts warm und sicher. Der wundervolle Gatte ist bei mir und meine beiden Lieblingsohren (siehen Bild oben) auch. Trotzdem bin ich traurig und auch ein bisschen ängstlich. Ich sorge mich um die Welt.
Und dann gibt es zwischendurch Momente, Ereignisse oder Gedanken, die mich diese Sorge für einen begrenzten Zeitraum komplett vergessen lassen. Ein Beispiel:
Ich war mit Elise unterwegs. Spontan mal ganz woanders hin. Es wurde schon langsam dunkel, aber ich habe mich trotzdem auf den Weg zum Stadtwald gemacht. Es waren sogar noch einige Menschen im Park und Kinder mit Laternen, die sich zum Martinszug aufstellten. Das hat mich an die Zeiten erinnert, in denen wir als Kinder von Haus zu Haus gezogen sind, um Süßigkeiten zu sammeln. Von Halloween war damals noch keine Spur 🙂
Es war kalt, die Sonne ging unter und an manchen Stellen, unter großen Bäumen, hatten sich große Gruppen von Kanadagänsen zur Nacht eingefunden. Hab mit Elise sicherheitshalber einen Bogen drum gemacht. Sie mag andere Tiere manchmal zum Fressen gern. So kamen wir am Kahnweiher vorbei. Es hingen Licherketten am anderen Ufer und bunte Einhörner-Boote lagen, etwas verloren und wie müde vom Sommer, am Steg. Eine etwas surreale Szenerie, aber mit dem Licht der untergehenden Sonne fand ich sie wunderschön.
Am Rande des Parks, wo beeindruckende Häuser stehen, waren die Fenster schon hell erleuchtet und ich stellte mir vor, wie manche der Bewohner:innen jetzt das Abendessen zubereiten und sich darauf freuen. Einige kamen mit vollen Tüten aus Richtung Einkaufstraße. Elise und ich freuten uns auch auf den Abend: nach frischer Luft, Gänse-Sichtung, einem Blick auf den kleinen See und vielen Blätterhaufen zum Schnüffeln.
Binsenweisheit: Hundespaziergänge machen glücklich, schlank und schön
Noch einer von diesen altklugen Sprüchen ist der von der heilenden Wirkung des Singens. In diesem Jahr konnte ich nicht oft zu den Proben meines Chores, dem Schubert-Collegium, gehen. Immer war was, manchmal war ich auch faul und manchmal dachte ich auch: Warum singen?
Hab mich dann doch aufgerafft, zunächst dank Corona das Chorwochenende verpasst, aber dann doch das Konzert mitgesungen! Das Requiem von Mozart! Hab meine Stimme wieder auf Vorderfrau gebracht, viel Tee getrunken und Halsbonbons gelutscht, dann gings.
Rock me, Amadeus!
Ich bin nicht gläubig, aber die sakrale Musik ist für mich immer etwas Besonderes. Verflixt, es ist wirklich schwer zu beschreiben, was das Singen solcher Choräle mit mir macht. Diese Musik ist etwas Universelles, insbesondere alte und klassische Musik.
Das Requiem wurde 1791, also vor mehr als 230 Jahren, geschrieben und wir singen es heute noch. Es entstand in der festen Überzeugung, dass es einen Gott gibt, den wir um Gnade und Gerechtigkeit bitten können. Und diese Vorstellung tröstet mich tatsächlich.
Teil dieser Musik zu sein, im Moment der Aufführung, ist ein einzigartiges, für mich leider nahezu unbeschreibliches Erlebnis.
Auch noch in weiteren 230 Jahren wird es die Musik von Mozart, Bach und Verdi geben. Das ist nun wirklich die beste Nachricht, die ich in diesen Tagen bieten kann.